Wahlrecht in Deutschland

Neben dem allgemeinen Wahlrecht gelten in Deutschland die Grundsätze der freien, geheimen, gleichen und unmittelbaren Wahl. Voraussetzung für die Stimmabgabe bei der Wahl zum Bundestag, zum Landesparlament und Co. ist eine deutsche Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz in der betreffenden Verwaltungseinheit sowie ein Mindestalter von 18 Jahren (vereinzelt auch von 16 Jahren).

Eine Ausnahme bilden Europa- und Kommunalwahlen, bei denen auch Bürger anderer EU-Mitgliedsstaaten, die in Deutschland wohnen, wahlberechtigt sind. Diejenigen, die am Wahltag nicht selbst zur Urne antreten können, haben die Möglichkeit, ihre Stimme per Briefwahl einzureichen.

Heute wird das allgemeine Wahlrecht als ein selbstverständlicher Teil der Demokratie angesehen, doch vor gar nicht allzu langer Zeit war es in vielen Ländern undenkbar, dass Schwarze oder Frauen wählen dürfen.

Frauen kämpfen über Jahrhunderte für Wahlrecht

Die französische Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Olympe de Gourges gilt als erste Kämpferin für das Frauenwahlrecht. Während der Französischen Revolution verfasst sie unter anderem die "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin", die 1791 veröffentlicht wird. Für ihr Engagement muss Gourges allerdings einen hohen Preis zahlen: Wegen ihrer Forderungen nach einem Frauenwahlrecht und ihrer Feindschaft zum französischen Rechtsanwalt und Revolutionär Maximilien de Robespierre wird sie 1793 inhaftiert und nach einem kurzen Schauprozess hingerichtet. Olympe de Gourges war tot, doch ihre Idee soll weiterleben.

1853 führt die Regierung von Vélez, Kolumbien, als erste Stadt der Welt überhaupt das Wahlrecht für Frauen ein. Aber nicht nur in der Politik findet im 19. Jahrhundert ein Umdenken statt, auch in der Gesellschaft wird die Haltung gegenüber dem Thema Frauenrechte zunehmend liberaler. So ist Colorado 1893 der erste Bundesstaat, in dem sich Männer in einer Volksabstimmung dafür entscheiden, das vermeintlich schwächere Geschlecht wählen zu lassen.

In der Geschichte des Wahlrechts stellt 1902 einen besonderen Wendepunkt dar. In diesem Jahr führt Australien als erstes Land überhaupt das Frauenwahlrecht ein, vier Jahre später zieht Finnland als erstes europäisches Land nach, 1913 folgte Norwegen, 1915 Dänemark sowie Island und 1916 Kanada, die Niederlande und Sowjetunion.

Am 12. November 1918 veröffentlicht der Rat der Volksbeauftragten einen "Aufruf an das deutsche Volk", in dem die Reichsregierung verkündet: "Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen." Im selben Jahr dürfen Frauen auch in den USA, England, Irland und Luxemburg wählen gehen. Ein regelrechter Spätzünder ist Appenzell Innerrhoden, eines der sechs Kantone der Schweiz. Hier gilt das Wahlrecht für Frauen erst seit 1990.

"Blutiger Sonntag" ebnet Weg für Gleichberechtigung von Afroamerikanern

Zwar dürfen Schwarze Bürger fünf Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei in den USA ab 1870 offiziell wählen, in den Südstaaten werden aber viele Gesetze erlassen, die ihnen dieses Recht erschweren. So dürfen beispielsweise Afroamerikaner mit einem geringeren oder gar keinem Einkommen, und dazu zählen die meisten zu dieser Zeit, gar keine Stimme abgeben. Zudem müssen Schwarze schwere Lese- und Rechtschreibtests ablegen, um an Wahlen teilnehmen zu können.

Einer der gewaltlosen Kämpfer gegen diese Ungerechtigkeit ist der Baptisten-Prediger Dr. Martin Luther King jr., der Ende der 1960er Jahre zum Anführer der Bürgerrechtsbewegung Schwarzer US-Bürger wird. Viele Afroamerikaner folgen dem Aufruf Martin Luther Kings, zivilen Ungehorsam gegen die Unterdrückung und Rassentrennung zu leisten.

Ein Wendepunkt des Protests findet am 7. März 1965 statt. Rund 600 Demonstranten marschieren an diesem historischen Sonntag von der Stadt Selma ins 80 Kilometer entfernte Montgomery, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Alabama, um das Wahlrecht für Schwarze einzufordern. Doch die Aktivsten werden von der Südstaatenpolizei an der Edmund-Pettus-Brücke in Selma gestoppt und brutal niedergeschlagen.

Die Bilder von friedlich demonstrierenden Menschen, die mit Schlagstöcken von vermeintlichen Gesetzeshütern verprügelt werden, gehen um die Welt und lösen eine Welle der Empörung aus. Die Polizei kann die Demo zwar aufhalten, nicht jedoch die Forderung von Millionen von US-Bürgern. Fünf Monate nach den blutigen Auseinandersetzungen, die als "Bloody Sunday" in die Geschichte eingehen, wird ein neues Wahlrecht verabschiedet, das Afroamerikanern die volle Gleichberechtigung garantiert.

Fazit: Für viele ist das Wahlrecht eine Selbstverständlichkeit, doch Frauen und Schwarze Bürger in den USA kämpften über Jahrhunderte für dieses Privileg. So durften beispielsweise Frauen in Deutschland erst 1918 an die Wahlurne treten. Für Schwarze US-Bürger wurde ein uneingeschränktes Wahlrecht 1965 eingeführt, nachdem afroamerikanische Aktivisten wenige Monate zuvor in einem Friedensmarsch für mehr Gleichberechtigung demonstrierten und dabei von der Polizei brutal niedergeschlagen wurden.